Exhibition
in Solothurn / Switzerland
Annatina Graf (*1965) ist in den letzten Jahren mit Malerei und Videokunst in den Kunstmuseen von Solothurn, Bern und Chur hervorgetreten. Ihr langer künstlerischer Weg führte vom autodidaktischen Malen bis hin zu einem Abschluss in Digital Media an der Hochschule Luzern (2006-07). Konsequent hat sich die Künstlerin in ihrem bisherigen Schaffen mit Bild und Vorstellung, Erinnerung und Vergänglichkeit auseinandergesetzt und sich hierfür auf den Foto-Fundus ihres eigenen Familienlebens bezogen. Nun widmet ihr das Kunstmuseum ihres langjährigen Wohnortes Solothurn die erste institutionelle Einzelausstellung.
Die Arbeitsgebiete Malerei, Zeichnung und Neuen Medien prägen Annatina Grafs Schaffen. Dabei stehen sich die unterschiedlichen Ausdrucksweisen nicht fremd gegenüber, sondern scheinen sich gegenseitig zu befruchten. Die eigenwillige Palette, an der ihre Gemälde sogleich erkennbar sind, zeigt zum einen das nach Grundfarben getrennte Übereinanderlegen der Farbtöne, wie es ein elektronisches Filterprogramm zulässt, zum anderen silbern blendende Bildgründe. Die künstliche Farbwirkung betont die Mittelbarkeit der Darstellung, der zumeist Fotos zugrunde liegen. Die ungemein feinen Lasuren aber verleihen den Werken eine Sinnlichkeit, die beim mechanisch anmutenden Auftragen der Farbschichten – als wäre die Künstlerin ihr eigener Plotter – erstaunen mag. Umgekehrt überraschen einige ihrer Videos mit dem kontinuierlichen Verdichten von kurzen Ferienfilmen zu animierten “Zeichnungen”: Aus dem Schwarz des Bildgrundes tauchen abstrakt anmutende weisse Zeichen auf, die als Wellenkämme einer gleissenden Wasserfläche erkennbar werden (“Wasserzeichen”, 2004). Das gegenläufige Spiel von Auflösung und Verdichtung fällt auch bei den kleinformatigen Bleistiftzeichnungen auf: Auf dem grobkörnigen Papier werden die Grenzen des Dargestellten durchlässig.
Die Bewegung, die auch im Ausstellungstitel “Traversata” zum Ausdruck kommt, ist ein grundsätzlicher Wesenszug, der auch das Wahrnehmen von Annatina Grafs Malerei bestimmt. Die glänzenden Silbergründe, von denen sich die gemalten Sujets zuweilen kaum abheben, verhindern ein schnelles Erfassen. Erst im Gehen tauchen die Motive auf und verschwinden sogleich wieder. Bildtitel wie “Moments” oder “Erinnern” betonen die Bedeutung der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit. Mit besonderem Interesse widmet sich die Künstlerin Übergangszeiten wie der Pubertät (“Blütezeit”, 2009, “Nightshot”, 2009), die sie anhand ihrer eigenen halbwüchsigen Kinder thematisiert, oder der Welt von Schlaf und (Alb-)Traum (“Another World,” 2010-11; “Night Trip”, 2014). Als Grundthema tritt die Frage von Schein und Sein auf: Silbergründe und Spiegelflächen blenden das Augen, regen mit ihren diffusen Bildern aber die eigene Vorstellungskraft an. In mehrfacher Hinsicht geht es in Annatina Grafs Schaffen um Projektionen, nicht nur technisch, sondern auch mental: Im Verwirrspiel von Glanz und Spiegelung nehmen wir wahr, was wir sehen können oder wollen.
Die Ausstellung erstreckt sich über vier Säle und zeigt hauptsächlich Werke der letzten zehn Jahre. Bemerkenswert ist die installative Nutzung der Räume: So gelangt das Publikum etwa am Anfang der Ausstellung in die räumliche Suggestion der titelgebenden Videoarbeit “Traversata” (2011), die ein Mädchen in einem erleuchteten Dachraum zeigt. Dank einem Einbau, der als frontale Projektionswand dient, wird der im Film evozierte Raum erlebbar.
Zur Ausstellung erscheint im Verlag für moderne Kunst ein Katalog (D/E) mit Texten von Kathleen Bühler und Christoph Vögele sowie einem Interview zwischen Katharina Ammann und Annatina Graf.
Christoph Vögele
Öffnungszeiten Di-Fr 11 – 17 Uhr, Sa/So 10 – 17 Uhr, Montag geschlossen
Location:
Kunstmuseum Solothurn
Werkhofstrasse 30
4500 Solothurn
Switzerland