Exhibition
in Meggen / Switzerland
In ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung “Memory Sandwich” thematisiert Noha Mokhtar die Beziehung zwischen der Materialität von Wohnräumen und unserem inneren Selbst (Psyche). In den eigenes für die Ausstellung konzipierten Werken erforscht sie verschiedene Dimensionen dieser Beziehung, wie die Rolle der Erinnerung, Berührungen oder die Autobiografie des Archivs. Dabei konzentriert sie sich auf architektonische Details, Oberflächen und Alltagsgegenstände und beobachtet wie diese die eigene Identität, Intimität und Menschlichkeit offenbaren und gleichzeitig mitgestalten. Die unterschiedlichen Arbeiten treten über die Stockwerke hinweg in einen direkten Dialog und greifen bewusst die architektonische Struktur des Ausstellungsraums selbst auf.
Das traumhafte Haus
Fragen nach Wohnformen und der Materialität in unserem Alltag beschäftigen die Künstlerin seit mehreren Jahren. Im Fokus ihrer Forschung steht dabei die Verknüpfung von Räumen, Architektur und Ausstattung mit gesellschaftlichen und politischen Themen. In ihrer künstlerischen Praxis strebt Mokhtar danach, die Komplexität sozialer Welten und menschlicher sowie nicht-menschlicher Beziehungen in eine formale und visuelle Sprache zu übersetzen, die Freiraum für Mehrdeutigkeiten und Subtilitäten lässt. Welche soziale, politische und emotionale Dimensionen haben eben jene Räume, die uns so vertraut sind und denen wir im Alltag gleichwohl oft so wenig Bedeutung beimessen?
Mit “Memory Sandwich” setzt Noha Mokhtar ihre Arbeit über den Wohnraum fort und beschäftigt sich mit der nicht weniger politischen, aber vielleicht poetischeren Beziehung zwischen dem architektonischen Innenraum und unserem eigenen psychischen Inneren. In seinem Buch “La Poétique de l’espace” (1957) untersuchte der französische Philosoph Gaston Bachelard (1884-1962) die “glücklichen Orte” unserer Existenz, die wir in unseren Häusern finden. Für Bachelard ist das Haus eine Poetik des Innenraums: Geschlossene Räume wie Dachböden, Keller, Schubladen, Ecken und Winkel beherbergen auch die Innerlichkeit und Subjektivität seiner Bewohnenden, seiner/s Träumerin/Träumers. Das Haus – und damit jeder bewohnte Raum – besteht aus konstruierten Grenzen und wird sowohl real als auch gedanklich be- und erlebt. Die Idee des traumhaften Hauses aufgreifend, entwickelt Noha Mokhtar Werke, die sie selbst als Träume inszeniert.
Räume und Erinnerungen
Im Frühjahr 2023 machte sich Noha Mokhtar während eines Aufenthaltes in Kairo auf die Suche nach einer Unterkunft und beauftragte hierfür einen Makler, der ihr verschiedene Mietwohnungen im Stadtzentrum zeigte. Die zahlreichen Besichtigungen – teilweise mehrere Wohnungen pro Tag – führten zu verwirrenden Erinnerungen, die sich nach bis nach in eine einzige, grosse Wohnung verwandelten. Während jeder Besichtigung bewohnte Mokhtar selbst die Orte für wenigen Minuten. Und so führte der Flur der einen Wohnung alsbald in das Wohnzimmer der anderen und die Wände verschoben sich, um sich den Erinnerungen anzupassen. Um sich bessser an die Räume zu erinnern, hat die Künstlerin begonnen die Wohnungen mit der Kamera festzuhalten. Während des fotografischen Prozesses näherte sie sich jedoch immer mehr den Details und die Neugierde nach Spuren der vergangenen Leben zu suchen, welche die Orte bewohnt und verändert haben, verstärkte sich.
Die ursprünglich in einer Künstlerinpublikation “No Nile View” (2023) präsentierte Bilderserie wird für die Ausstellung mit einer neuen Anordnung mit neuer Bedeutung aufgeladen. Die Bilder werden von einer narrativen Legende begleitet, welche weiter Mokhtars Interesse an der Auseinandersetzung mit der Beziehung von Bild und Text und damit dem literarischen Schreiben als künstlerische Form widerspiegelt.
Memory Sandwich
Es war eines nachts, als Noha Mokhtar vom “Memory Sandwich” träumte: “Es war die Oberfläche eines Tisches, oder vielleicht einer Kommode. Zwischen dem Holz und dem Glas waren Notizen, die auf die Seiten eines alten Tagebuchs gekritzelt wurden, eine Liste mit Telefonnummern, eine Kinderzeichnung – wahrscheinlich meine eigene – und ein Schwarzweissfoto einer Frau, die ich nicht kannte” (Noha Mokhtar, Juni 2024)
Der Dachboden ist der Ort im Haus, der die Vergangenheit und die imaginäre Zukunft vereint. Die Möbel früherer Generationen bilden unter schützenden Tüchern eine weisse Landschaft, in der imaginäre Geschichten und Träumereien entstehen können. Im Dachstock des Benzeholz präsentiert Mokthtar eine Videoarbeit, die sich auch mit ihre eigenen Familiengeschichte befasst.
Noha Mokhtar (*1987 in Genf, lebt und arbeitet in Zürich) ist eine schweizerisch-ägyptische Künstlerin und Anthropologin. Ihre künstlerische Praxis umfasst Fotografie, Video, Objekte, Installationen und Text, und lehnt sich an ethnografische Methoden an. Sie interessiert sich für die Mechanismen der Reproduktion von Orten, Objekten und Körpern. Wie gestalten wir die Welt um uns herum, und wie werden wir von ihr geformt? Von intimen Erzählungen bis hin zu digitalen Infrastrukturen öffnet Mokhtars Arbeit Räume, in denen soziale und kulturelle Identitäten und diasporische Biografien sichtbar werden. Oft bewegen sich ihre Projekte zwischen Fiktion und dokumentarischer Arbeit.
Ihre Arbeiten wurden u.a. in Ausstellungen im Haus Konstruktiv Zürich; Aargauer Kunsthaus; Centre d’Art Contemporain Genf; Townhouse Gallery Kairo; Musée d’Art de Pully; Kunstmuseum Thun; Centre Pasquart Biel/Bienne; Istituto Svizerro, Rom und Musée de l’Elysée, Lausanne, gezeigt. Mokhtar hat verschiedene Stipendien und Preise erhalten, darunter: Werkstipendium Stadt Zürich (2023); Die schönsten Schweizer Bücher (2020); Werkbeitrag Kanton Zürich (2021, 2018); Kiefer Hablitzel (2017); Fulbright-Stipendium (2016) und den Swiss Design Award des Bundesamts für Kultur (2012). Darüber hinaus war sie Artist-in-Residence in New York City, Kairo und Beirut.
Zurzeit ist sie Doktorandin in Sozialanthropologie und Critical Media Practice an der Harvard University und arbeitet aktuell als Residentin am Schweizerischen Institut in Rom.
Zusammen mit Gregor Huber und Ivan Sterzinger betreibt sie Edition Hors-Sujet, eine interdisziplinäre Publikationsplattform.
Öffnungszeiten Do/Sa/So 14 – 18 Uhr
Ausstellungsdauer 02.11. – 22.12.2024
www.benzeholz.ch
www.nohamokhtar.ch
Location:
Benzeholz - Raum für zeitgenössische Kunst
Benzeholzplatz 2
6045 Meggen
Switzerland