Exhibition
in Brugg / Switzerland
Mit “Spazett” zeigen die beiden Künstlerinnen Olivia Wiederkehr und Rosmarie Vogt- Rippmann raumgreifende Objekte und Installationen auf Zeit.
Das Schaffen von Olivia Wiederkehr (*1975, lebt und arbeitet in Brugg und Zürich) und von Rosmarie Vogt-Rippmann (*1939, lebt und arbeitet in Scherz und Aarau) weist innere Verwandtschaften auf. Materialien des Alltags und die in ihnen gespeicherte Erzählung bilden eine Ausgangslage für beide Künstlerinnen. Auf ein Hinkommen, Wahrnehmen, Aufstellen und Umbauen folgt für beide Künstlerinnen der kurze Auftritt eigener Weltfragmente. “Spazett”, hergeleitet vom lateinischen Wort für “zucken”, beschreibt den Hüpfer zum Anlauf für einen Überschlag – und schon werden die Zelte wieder abgebrochen, wird Grosses zerkleinert, eingepackt und zurückgeführt. Im “Paarlauf” stellen sich nun Parallelen wie auch Unterschiede heraus: Der Raum nicht nur als gebaute Grösse, sondern als Grösse von variabler, sich ständig verändernder, gesellschaftlicher und politischer Dimension bei Wiederkehr trifft auf das architektonisch begrenzte Interieur, wie Vogt-Rippmann es für konkrete Objekte in Anspruch nimmt. Schutz und Verletzlichkeit sind Motive beider Werke, das Spannungsverhältnis zwischen kulturellem Handeln und natürlich Gegebenem, die Balance, die eine gegebene Situation unverhofft aus dem Lot bringen könnte.
Olivia Wiederkehr entwickelt temporäre Installationen vor dem Hintergrund einer Nachdenklichkeit, in der sie sich auch als Performancekünstlerin exponiert. Wiederholt sind bei der gelernten Szenografin Zelte zum Einsatz gekommen; ihrer ursprünglichen Funktion enthoben, wird die mobile Behausung zum Bild für ein nomadisches Dasein in der Natur. Für das Zimmermannhaus bzw. dessen Innenhof führt die Künstlerin ihre Auseinandersetzung fort mit Hanna Arendts Essay “Die Freiheit, frei zu sein” (1967). Voller Poesie, aber auch Risikobereitschaft testet Wiederkehr deren “Denken ohne Geländer”. Raumgreifend isoliert und kombiniert sie Materialien, hält vielseitig einsetzbare Requisiten in der Schwebe zwischen Fundus, Möglichkeitsform oder autonomer Installation. Präzis arrangiert, laden ihre Provisorien dazu ein, Bewegung und Aktionen gedanklich vorwegzunehmen: Wo will, wie kann sich Freiheit entladen?
Der Hof als Zugang zum Ausstellungsraum ist der Ort von Olivia Wiederkehrs grossangelegter Intervention, die szenografische Züge aufweist. Sprache und “Bild”, räumliche Setzung und bühnenähnliche Arrangements markieren im Innenhof subtile Momente von Aufmerksamkeit und Konzentration. Konkrete “Gegenstände” wie das goldene Metallgestänge interagieren mit fragmentarischen Objekten, deren Funktion ebenso ambivalent gehalten ist wie ihre Bedeutung. Durchgehender Gedanke sind Fragen zu individueller und kollektiver, subjektiver und politischer Freiheit, die in den “Statements” sprachlich prägnant gefasst sind. So transformiert Wiederkehr den Innenhof mit seinem Brunnen in einen theatral aufgeladenen Ort, dessen Tages- und Nachtgesicht jeweils ein unterschiedliches Erleben und eine inhaltliche Akzentverschiebung mit sich bringen.
Im Vorfeld der Ausstellung – und während dem Lockdown – werden als Teil der Arbeit von Olivia Wiederkehr Plakate mit Statements an mehreren Stellen im öffentlichen Raum der Stadt Brugg zu finden sein.
Im Gestalten auf Zeit sucht Rosmarie Vogt-Rippmann immer wieder die Verwandlung – “eine Verwandlung als erneute Wertschätzung, als letzter Höhepunkt auch vor dem Verschwinden.” Die Künstlerin hatte als Innenarchitektin gearbeitet, bevor sie sich der Kunst zuwandte: Umso grösser erlebt sie bis heute die Freiheit, labilste Konstruktionen zu schaffen, die keiner bestimmten Funktion genügen und keiner Berührung standhalten müssen. Ihren kontinuierlichen Versuch, Unmögliches fassbar zu machen, unternimmt sie unter Einbezug ihrer eigenen Material-, Bild- und Gedankenvorräte. Von Beginn an ist ihr Schaffen auch von Pragmatismus geprägt: Sie nimmt ihre eigene Körpergrösse als Referenz, schätzt Materialien, die sie wieder auf Gepäckgrösse verkleinern kann und arbeitet vorzugsweise mit dem jeweils verfügbaren Raum. Wobei ihr eigentlicher Antrieb die Lust bleibt am ständigen Umbauen und Umdenken – am Herausfordern momentaner, auch ungesicherter Zustände: Ob es gelingt?
Rosmarie Vogt-Rippmann bespielt den Raum im Obergeschoss mit mehreren Werkgruppen, die das Verhältnis von Bild und Raum, von Bewegung und Stillstand untersuchen – verschränkt mit Diskursen der Malerei und der Skulptur. Den Wand- bzw. Bodenarbeiten sowie den freistehenden installativen Setzungen scheinen dieselben energetischen Prinzipien wiederfahren zu sein: auseinander stieben, sich temporär aneinander schmiegen, den labilen Daseinszustand gerade so aufrecht erhalten. Neben der präzisen, doch unprätentiösen Handhabung der Materialien zieht einen insbesondere die Bandbreite an Tempi und Dynamiken der jeweiligen Arbeiten in den Bann.
Öffnungszeiten Mi-Fr 14.30 – 18 Uhr, Sa/So 11 – 16 Uhr
Die Künstlerinnen vor Ort
Donnerstag, 01.04., 15 – 19 Uhr, Eröffnungstag
Freitag, 02.04., 14.30 – 18 Uhr
Samstag, 03.04. 11 – 16 Uhr
Sonntag, 25.04., 11 – 16 Uhr, letzter Ausstellungstag
www.zimmermannhaus.ch
www.oh-wiederkehr.ch
Rosmarie Vogt-Rippmann
Location:
Zimmermannhaus Brugg / Kunst & Musik
Vorstadt 19
5200 Brugg
Switzerland