Exhibition
in Biel / Bienne / Switzerland
- Sveta Mordovskaya: Costume, 2024, Ausstellungsansicht KBCB Kunsthaus Biel Centre d’art Bienne 2024, Photo Lea Kunz
Das Kostüm als Kleidung verstärkt einen Status, eine spezifische kulturelle Zugehörigkeit oder verfremdet im Gegenzug eine Identität, wenn es eine Verkleidung ist. Um Statements abzugeben, verwendet Sveta Mordovskaya (*1989) in ihren Arbeiten Materialien, die sie auf der Strasse gefunden und gesammelt oder in Online-Shops gekauft hat (Stoffe, Reinigungsmittel, Plastikverpackungen, …) oder solche, die mit dem künstlerischen Schaffen assoziiert werden (Gips, Pappmaché, …). Diese Assemblagen, die teils mit Gewalt zusammengefügt werden, zeigen die Beziehungen der Künstlerin zu ihren unmittelbaren Ressourcen. Sie nehmen biomorphe Formen an und gehen so mit kulturellen Anspielungen einher. Animistische Konnotationen einiger Skulpturen lassen beispielsweise andeuten, wie die Moderne Motive aus nicht-westlichen Schöpfungen formal übernommen, hingegen deren aktive und lebendige Dimensionen – sei es in ihrer rituellen oder sozialen Verwendung – ausgelassen hat.
“The only possible form of existence” (2024) zeigt ein Stoffsofa, von dem die Kissen entfernt wurden, um eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien hineinzustecken. Die Ansammlung von Papier, Stoff, Plastik und Draht kann als Zeichen einer übereifrigen Beschäftigung der Künstlerin gelesen werden und findet ein Echo in den verschlungenen Beinen. Die eingebetteten Augenformen betonen die menschenähnliche Wirkung der Skulptur. An den Wänden hängen drei gedruckte Fotografien aus dem persönlichen Archiv der Künstlerin. Diese andere Quelle ist sowohl materieller als auch sentimentaler Art. Eine dieser Fotografien zeigt ein Porträt der Künstlerin als Kind, in einem unbestimmten Kostüm, das am ehesten mit einer Figur an einem europäischen Hof im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung und der universellen Werte, assoziiert werden kann (Artist, 2023). Die selbstbewusste Pose und das Lächeln kontrastieren mit der mangelnden Struktur des Kindes sowie der Unglaubwürdigkeit der sozialen und kulturellen Kodexe des Kostüms, die nicht die ihren sind. Dieses Unbehagen wird durch den recycelten Rahmen verstärkt, der sich auf ungeschickte Weise mit dem Bild verbindet.
Dieses Prinzip der Verschiebung zieht sich durch die gesamte Ausstellung “Costume”. In einer anderen Fotografie posiert die Künstlerin als Teenager mit ihren Schulfreundinnen nach einem Abschluss (Group Portrait, 2023). Der rote Stern, der der Fotografie hinzugefügt wurde, scheint ein Talisman zu sein, als wolle er die Kraft und Turbulenz der Teenagergruppe in den gegenwärtigen Moment beschwören. Doch im Vergleich zu der bescheidenen Grösse, die solch persönliche Erinnerungen normalerweise aufweisen, ist diese Zusammenstellung einer verzierten Privataufnahme offensichtlich vergrössert. Der Übergang vom privaten zum öffentlichen Raum scheint die Proportionen verzerrt zu haben. Mit ihren neuen Dimensionen verliert die Assemblage ihren intimen Charakter und wird zu einem architektonischen Element, das die Partitur von “Costume” für ein Spiel mit verzerrenden Spiegelungen und unerwarteten Reflexionen freigibt. Diese Transformation stört das Verhältnis von Sentimentalität, vielleicht weil Nostalgie immer mit einer Dosis Fiktionalisierung und Nachstellung einhergeht.
“Costume” vermittelt ein Gefühl des Suchens und Scheiterns, bei dem das Objekt der Begierde vage und seine Erfüllung hypothetisch ist. Dies scheint “Untitled” (2023) zu illustrieren, ein Paar rote Kinderschuhe neben einem Holzschwert, das ohne weitere Verzierungen an der Wand steht, wie minimale Elemente, um “ein Kostüm zu bilden”. Die rubinroten Schuhe erinnern an die Schuhe von Dorothea im Film “Der Zauberer von Oz” von 1939. Gezwungen, die Verantwortung zu übernehmen und allein aufzuwachsen, benutzt Dorothea diese Schuhe mit ungewisser magischer Wirkung auf ihrer Suche nach ihrer Heimat Kansas. Die Kombination der Absatzschuhe mit dem Schwert ist rätselhaft, ja sogar widersprüchlich – der Kinderfilm ist eher an eine strenge symbolische Geschlechteraufteilung mit Requisiten gewöhnt, die mal feminin, mal maskulin sind. Die Reise ist eine Allegorie auf den seelischen Weg der Kindheit, ein Weg, der von einer verzerrten und fantastischen, banalen und halluzinierten, alltäglichen und extravaganten Realität strukturiert wird. Diese Beugung findet sich in der Architektur der in “Zimmer” (2023) fotografierten Wohnung wieder: Sie ist gespenstig, fremd und nah zugeleich und erscheint wie das fantastische Kostüm der Wirklichkeit. Aber gerade “Untitled” (2023) und “Costume” artikulieren sich ähnlich wie der Zauberer von Oz: Die Anweisungen sind vage, die Requisiten sind Werkzeuge der Emanzipation und es ist das Weibliche, das die Überhand hat, gegenüber einem in der Ausstellung abwesenden Männlichen.
Die Suche, ihr Scheitern und die Beschwörung der Kindheit betonen alle die Welt der Schatten: Eine traumhafte Zone der Offenbarung, in der seltsame, sublimierte, lustige und fantastische Kreaturen als Kostüme unserer Verdrängungen aktiv werden. “Untitled (black)” (2024) nimmt eher den Kodex der Skulptur an: Eine Ansammlung von schwarzen Kleidungsstücken, die auf einem Sockel aufgeschichtet sind. Das Kostüm scheint das eines Zauberers zu sein, der ein geheimes oder esoterisches Wissen besitzt und sich in Luft aufgelöst hat. “Costume” basiert auf diesen metaphorischen Reisen, in denen der Zauberer seinen Platz als Versöhner von Gegensätzen wieder einnimmt und die Medaille nicht mehr wirklich eine Belohnung ist, sondern eher ein Talisman eines Transformationsagenten. Die Skulptur wird die Form einer Zeremonie, eines Kostümballs an.
Kurator: Paolo Baggi
Ausstellungsdauer 01.03. – 19.05.2024
Öffnungszeiten Mi/Fr 12 – 18 Uhr, Do 12 – 20 Uhr, Sa/So 11 – 18 Uhr
Sveta Mordovskaya – Costume
Le vêtement du costume renforce un statut, une appartenance culturelle spécifique ou au contraire, travestit une identité quand il est déguisement. Dans l’oeuvre de Sveta Mordovskaya (*1989), les affirmations se font par des matériaux trouvés dans la rue puis récupérés, des objets achetés sur des sites de vente en ligne (étoffes, produits d’entretien, emballages plastiques, …) ou d’autres matériaux liés à la création artistique (plâtre, papier mâché, …). Joints ensemble, parfois par la force et la coercition, ces assemblages manifestent les relations qu’entretient l’artiste à ses ressources proches. Ils peuvent prendre des aspects biomorphiques et se combiner ainsi à des évocations culturelles. Les connotations animistes de certaines sculptures peuvent par exemple évoquer la façon dont la modernité a pu s’emparer formellement de motifs issus de créations non-occidentales, tout en omettant leurs dimensions actives et vivantes, que ce soit dans leur usage rituel ou social.
“The only possible form of existence” (2024) est un canapé en tissu dont les coussins ont été retirés afin d’y injecter un ensemble de matériaux disparates. La prolifération des papiers, tissus, plastiques ou fils de fer se lit comme le signe d’une activité maniaque de l’artiste qui trouve un écho dans les jambes entortillées. Les formes oculaires nichées insistent sur la qualité biomorphique de la sculpture. Aux murs, trois photographies imprimées proviennent de l’archive personnelle de l’artiste. Cette autre ressource se trouve dans une proximité à la fois matérielle et sentimentale. Une de ces photographies est un portrait de l’artiste, alors enfant, habillée d’un costume vague, plus ou moins associé à un personnage de cour européenne du XVIIIème siècle, celui des Lumières et des valeurs universelles (Artist, 2023). L’assurance de la pose et du sourire contraste avec le manque de structure de l’enfant, et l’invraisemblance des codes sociaux et culturels du costume qui ne sont pas les siens. Un malaise renforcé par le cadre, un déchet récupéré par l’artiste, qui se combine de façon malhabile à l’image.
Ce principe de décalage perdure et hante toute l’exposition “Costume”. Dans une autre photographie, l’artiste est cette fois adolescente et pose avec son groupe d’écolières après l’obtention d’un diplôme (Group Portrait, 2023). L’étoile rouge ajoutée à la photographie semble être un talisman, comme pour convoquer la force et la turbulence de la bande adolescente dans le moment présent. Mais, en comparaison à la taille modeste donnée habituellement à ces souvenirs intimes, cet assemblage d’une photographie personnelle ornementée est manifestement agrandi. Le passage d’un espace privé à un espace public semble en avoir déformé les proportions. Avec ses nouvelles dimensions, l’assemblage perd son caractère intime et devient un élément architectural, ouvrant la partition de “Costume” sur des jeux de miroirs déformants et de reflets inattendus. Cette transformation perturbe le rapport de sentimentalité, peut-être parce que la nostalgie s’accompagne toujours d’une dose de fictionnalisation et de reconstitution.
“Costume” exhale un sentiment de quête et de faillite, où l’objet du désir est vague et sa satisfaction hypothétique. C’est ce que semble illustrer “Untitled” (2023) une paire de chaussures rouges pour enfant côtoyant une épée en bois posée contre le mur sans ornementation supplémentaire, comme les éléments minimaux pour “faire costume”. Les souliers rubis rappellent ceux de Dorothée dans le film “Le Magicien d’Oz” de 1939. Forcée de prendre le contrôle et de grandir par elle-même, Dorothée use de ces souliers, dont l’effet magique est incertain, dans sa destinée et sa quête pour retrouver son Kansas d’origine. La combinaison des souliers à talons et l’épée est énigmatique, voire contradictoire – le cinéma pour enfants est plutôt habitué à une division symbolique stricte des genres et des accessoires, tantôt féminins ou masculins. Le voyage est une allégorie du parcours psychologique de l’enfance, un chemin structuré par une réalité déformée et fantastique, banale et hallucinée, quotidienne et extravagante. Cette diffraction se retrouve dans l’architecture de l’appartement photographiée dans “Zimmer” (2023): hanté, étranger et proche, il apparaît comme le costume fantastique du réel. Mais précisément, “Untitled” (2023) et “Costume” s’articulent de manière semblable au Magicien d’Oz : les instructions sont vagues, les accessoires sont des outils d’émancipation et c’est le féminin qui a le pouvoir réel, face à un masculin absent de l’exposition.
La quête, son échec et l’évocation de l’enfance insistent tous sur le monde des ombres: une zone onirique de révélation où des créatures étranges, sublimées, comiques et fantastiques s’activent comme costumes de nos refoulements. “Untitled (black)” (2024) adopte plus volontiers les codes de la sculpture: un ensemble de vêtements noirs installé sur un socle. Le costume semble être celui d’un magicien, possesseur d’une connaissance secrète ou ésotérique, qui se serait évanoui. “Costume” se construit dans ces voyages métaphoriques, où le magicien reprend sa place de réconciliateur des opposés, et où la médaille n’est plus vraiment une récompense mais plutôt un talisman d’un agent de la transformation. La pratique de la sculpture s’envisage comme une cérémonie, comme un bal costumé.
Commissaire de l’exposition: Paolo Baggi
Durée de l’exposition 01.03. – 19.05.2024
Heures d’ouverture Mercredi/Vendredi 12:00 – 18:00, Jeudi 12:00 – 20:00, Samedi/Dimanche 11:00 – 18:00
Location:
KBCB Kunsthaus Biel Centre d'art Bienne
Seevorstadt 71 Faubourg du Lac
2502 Biel / Bienne
Switzerland