Exhibition

in Schaffhausen / Switzerland
10.08.2019 - 29.09.2019 00:00
Textur - Sprache und Erzählung in der Kunst

Sprechen und Erzählen sind Handlungen, die in der Gegenwartskunst in den Bereichen Performance, Konzept- und Medienkunst und Installation inhaltlich und formal eine wichtige Rolle spielen. In der Performance und in der Konzeptkunst haben die Schrift und das Schreiben grossen Anteil am eigentlichen Werk: In den 1960er Jahren wurden die ersten konzeptuellen Texthandlungen mit Schreibmaschine auf A4 Blätter getippt und dem Publikum gezeigt. Sprachphilosophie und Linguistik begeisterten die bildenden Kunstschaffenden. Heute wollen sie Kunst und Beschreiben nicht mehr voneinander trennen und verfassen Stücke und Bücher, machen Karaoke und Gedichte.

Was kann Sprache im künstlerischen Werk – abgesehen vom Inhalt – zeigen? Und wie erfahren wir Erzählungen über den Akt des Sprechens hinaus? Die Kunstschaffenden Karin Karinna Bühler, Anna-Lisa Ellend, Eric Philippoz, Frenzi Rigling und Katerina Samara setzen in der Ausstellung “Textur” in der Vebikus Kunsthalle Schaffhausen sprachliche Gesten und Erzählungen in den Raum: Autobiographie, Slogans und stille poetische Zeilen. Es werden Dokumente ausgebreitet, Leintücher und Lichtobjekte montiert, Filme laufen, Bühnen werden eröffnet und Lesungen organisiert. Der Begriff der ‘Szene’ ist ebenso wichtig wie jener der ‘Ausstellung’ oder ‘Aufstellung’. Publikationen sind nicht nur einfach Werkdokumentationen, sondern eigenständiger Teil des künstlerischen Œuvres. “Textur” eröffnet über Sprache und Schrift einen visuellen Raum, der Phantasie und Imagination in Gang setzt. (Ausstellungs-Konzept der Kuratorin Sibylle Omlin)

Karin Karinna Bühler – Lass dich hinters Licht führen
Karin Karinna Bühler arbeitet mit Sprache. Für eine Serie von fünf Heften mit Interviews hat sie Kunstschaffende darüber befragt, was für sie Kunst ist. Seit einiger Zeit arbeitet sie auch mit Signaletik und grossen, raumfüllenden Schriften. Den Schriftzug CAMBIO liess sie 2018 nach Castasegna im Bergell transportieren und in einem ehemaligen Lebensmittelgeschäft aufstellen. Für die quer durch die Räume der Vebikus Kunsthalle gespannte Aufforderung LASS DICH HINTERS LICHT FÜHREN setzt sich die Künstlerin mit Platons Höhlengleichnis auseinander. Unsere digitalisierte Gesellschaft sieht sich mit vielen scheinbar gegebenen technologischen Fortschritten konfrontiert, die in erster Linie einen Komfort versprechen. Diese gilt es kritisch zu betrachten. Die fünf Wörter LASS DICH HINTERS LICHT FÜHREN haben eine Vorderseite mit Glühbirnen (Glamour-Seite) und eine Rückseite mit offener Konstruktion der Verkabelung (Erkenntnis-Seite). Der Satz durchzieht den ganzen Raum; ein langes Elektrokabel schlingt sich durch die Worte und die den Raum dominierenden Stahlträger.

Anna Lisa Ellend – Vom Amten und Kunsten
Die Theatermacherin Anna Lisa Ellend – sie ist Mitglieder der Gruppe “Schauplatz International” – liebt die Bühne für performative, theatrale Stücke. Sie tanzt und spielt mit Stoffpuppen, tritt in Ritter-Rüstungen auf. Vor einiger Zeit hat sie einen Text geschrieben, in dem sie ihre politische Arbeit als Gemeinderätin von Erlach (BE) verarbeitet. ‘Vom Amten und Kunsten’ beschreibt ihre Aufträge und Handlungen als Politikerin und als Künstlerin, ihre grossen Herausforderungen auf den beiden Ebenen und das Verknüpften der politischen Arbeit im Familienalltag und auf Tournee mit ihren Theater-Stücken. Im künstlerischen Tun sieht sie etwas Politisches; in den politischen Arbeiten ist sie oft mit Absurditäten konfrontiert, die weit über das Leben hinaus in die Imagination hineinspielen. In ihrem Text kommen immer wieder Bilder eines lokalen Malers vor, die im Gemeinderatssitzungszimmer hängen. Die Künstlerin möchte für das Ausstellungsprojekt “Textur” ein Solo-Reading mit Spiel, Film – im Kontext des Gemeinderatssitzungsraums und dieser Bilder – erarbeiten und aufführen.

Eric Philippoz – Mon Amour / Karaoké
Der Künstler Eric Philippoz hat immer wieder das Schreiben in seine künstlerische Arbeit einfliessen lassen. Texte in Buchform oder performative Sprachhandlungen sind so entstanden. Im Schreiben als künstlerische Praxis ist zum Beispiel ein Heft zu seinem Aufenthalt in Brasilien entstanden, als er seinen Zivildienst leistete. Im ‘Livre de Service’ (2012) hält er Alltagsszenen, Gefühle, intime Gedanken fest. Zudem hat er die Karaoke-Form – vor Publikum singen und sprechen – als performatives Setting untersucht und die Arbeit ‘Karaoké’ entstehen lassen, die in die Ausstellung “Textur” integriert ist.
Sie wird als performatives Objekt mit Film und Mikrophon gezeigt. Text, der in Gesprächen, Tagebuchnotizen und privaten Briefen entsteht, bringt Eric Philippoz auf verschiedene Bühnen. So zum Beispiel Szenen aus Interviews mit einer alten Dame in Ayent, die seine Nachbarin ist und die nach den Gesprächen sterben wird. Aus den Interviews hat er ein Performance-Stück zum Thema Heimat, Hiersein, Zugehörigkeit entworfen. Beim Umbau seiner Wohnung in Ayent spricht er immer wieder gedichtartige Zeilen aus, Beschwörungen, Gebetsformeln, Liebesworte, momentane Gedanken. Diese kurzen Inschriften hat er auf Holzimitatplatten aufdrucken lassen. ‘Mon amour’ – so heisst die Arbeit – wird in der Vebikus Kunsthalle zum ersten Mal in der Deutschschweiz gezeigt.

Frenzi Rigling
Die in Schaffhausen aufgewachsene, in Wien lebende Künstlerin Frenzi Rigling ist in ihrer künstlerischen Arbeit mit Sprache und Texten verbunden. In der Beschäftigung mit dem, was uns unmittelbar umgibt, formuliert Frenzi Rigling die Codes um und macht sie sich in laufenden Prozessen zu eigen. Der künstlerische Schaffensprozess wird nicht nur in den Alltag integriert, sondern kommt aus ihm und wird durchaus auch unter dem Aspekt des feministischen Blickes auf Haltungen und Werte lesbar. Die Arbeiten sind sowohl Reflexionen über das tägliche Leben, wie auch radikale Untersuchungen gesellschaftlicher und kunstimmanenter Prägungen. In der Tradition künstlerisch feministischer Praxis werden kulturelle Bilder lebensspendender Weiblichkeit und zyklischer Zeitbegriffe hinterfragt.
Lektüre von Gedichten und Novellen gehört zu Frenzi Riglings künstlerischem Alltag. Und ab und zu bleiben Erzählungen oder Gedichtzeilen in ihrer Erinnerung hängen, die sie in der eigenen visuellen Arbeit einsetzt. So ist zum Beispiel die Lektüre von Corinna Bille eine wichtige Begegnung mit ihren Texten zum Thema Frausein, Natur, Landschaft, Familie. Aus den Büchern von Corinna Bille hat Frenzi Rigling verschiedene Textstellen ausgewählt, die sie in ihren Bildern eingesetzt hat. Die Texte wurden in eine Art Negativ-Schrift aus Stoff transformiert, die in Linien in Blocksatz auf den grossen Formaten zu sehen sind. Die Texte sind nicht lesbar, da die Schrift eine Art Verstecken des Textes bildet. Die Formen der Buchstaben evozieren gleichwohl eine Art Zeilenrhythmus – wie bei einem Gedicht – und verraten ihre eigene Art von Poesie.

Katherina Samara – Embroidered Memories / Mon Alphabet
Die Künstlerin Katherina Samara – geboren in Griechenland, lebt im Wallis – hat während ihres Studiums angefangen, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen und beschreiben. ‘Embroidered Memoires’ ist eine Geschichte, die zwischen der Türkei und Nordgriechenland spielt und Elemente von Vertreibung und Flucht beinhaltet. Die Familie hatte im 20. Jahrhundert in der Textilindustrie ihr Auskommen gefunden. Durch die politischen Umstände musste die Familie mehrmals mit Hab und Gut – darunter auch Stoffmuster aus der eigenen Firmentradition – umziehen und im Leben und Beruf neu anfangen. Daraus sind eine textile Installation, ein Theaterstück und ein Buch entstanden, aus dem die Künstlerin in der Vebikus Kunsthalle Bilder, Objekte und Texte ausstellen wird. Sie wird das zentrale Stück von ‘Embroidered Memories’ – ein altes Stück Stoff aus Familienbesitz – in die textile Arbeit einbinden.

2018 arbeitete Katerina Samara an ‘Mon Alphabet’, aus dem sie Teile im Frühling 2018 in der Villa Dutoit in Genf ausgestellt hat. Aus ‘Mon Alphabet’ wird sie eine Serie von Buchstaben-Bildern in Schaffhausen installieren.

Gastkuratorin Sibylle Omlin

Sibylle Omlin (lebt in Zürich und im Wallis) ist Autorin und Kuratorin. Sie interessiert sich für performative Zeichen und mündliche Erzählung in der Kunst. Zum Thema Performance hat sie 2013 die Publikation ‘Smoky pokership’ (Verlag für moderne Kunst, Wien) herausgegeben und 2016 eine Ausstellung ‘Performance Schreiben’ im Kunstraum Kreuzlingen produziert (www.kunstraum-kreuzlingen.ch/performance-schreiben).

Öffnungszeiten Do 18 – 20 Uhr, Fr 16 – 18 Uhr, Sa/So 12 – 16 Uhr

www.vebikus-kunsthalle-schaffhausen.ch
www.sibylleomlin.com
www.karinna.ch
www.schauplatzinternational.ch
www.ericphilippoz.ch
www.frenzirigling.at
www.katerinasamara.com

Location:
Vebikus Kunsthalle Schaffhausen
Baumgartenstrasse 19
8200 Schaffhausen
Switzerland

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