Exhibition

in Zürich / Switzerland
17.01.2025 - 08.02.2025 00:00
Thomas Müllenbach - Indoor - Aquarelle

Frisch angerichtet.

Hauchdünn, leicht durchscheinend und von delikater Zartheit – so mögen wir unseren Aufschnitt. Und so präsentieren sich auch die Arbeiten von Thomas Müllenbach, die in den letzten Jahren entstanden sind. Wobei diese Aussage teilweise wieder zu revidieren ist, denn wie so oft in Müllenbachs Werk ist die Situation nicht ganz so klar, wie sie scheint.

Grundsätzlich ist es eine unaufgeregte Realität, die in Malerei, Zeichnungen und Aquarellen zutage tritt. Alltags- und Arbeitsräume, in der Regel menschenleer; Figuren und manchmal auch Anekdotisches. Ein Blick auf die Welt, durchzogen von Pragmatismus und von der Überzeugung, dass sich auch im Banalen etwas offenbart und dass es oft vor allem auf den Blickwinkel ankommt. Es ist ein geschärftes Sehen, geprägt von Jahrzehnten der intensiven Beobachtung von Wirklichkeit(en) und ihren Bildern – und doch bereit, sich stets aufs Neue überraschen zu lassen.

Seit vielen Jahren verfolgt Thomas Müllenbach diese künstlerische Herangehensweise, weshalb es auch nicht erstaunt, dass bestimmte Motive wie beispielsweise Innenräume durchgehend präsent sind. Aber was für Interieurs: Operationszentralen mit teils unverständlicher Ausstattung; Korridore und Türen, die nichts über ihr Funktionsumfeld verraten; Arbeitsplätze, erstarrt in technologischer Präzision. Die gewendete Perspektive, der Blick auf die Volumina und Strukturen, in denen diese aseptische Räumlichkeit beheimatet ist, tritt im Werk ebenso selbstverständlich auf wie das eng ins Auge gefasste Detail. Die Titel der Arbeiten benennen das Dargestellte. Sachlich, knapp und ohne Schnörkel. Thomas Müllenbach vertraut darauf, dass sich die linguistische Differenz zwischen signifiant und signifié (Bezeichnendem und Bezeichnetem) im Akt der Betrachtung entfaltet und dadurch Bedeutungsebenen eröffnet, die ebenso auf kulturellen Bildgedächtnissen basieren wie auf individuellen Sehgewohnheiten.

Doch zurück zum Aufschnitt.

Es sind vor allem die in Aquarell auf Tuch gemalten Arbeiten, die diesen Gedankensprung auslösen. Obwohl die Wahl des Bildträgers (Fallschirmseide oder Trevira) und die Art der Auftragstechnik mit Versuchen und Fehlschlägen verbunden ist, ist es nicht das Materialexperiment, das Thomas Müllenbach bei der Stange hält. Es ist das Erzeugen von spezifischen Bildwirklichkeiten, die sich bei den grossformatigen Arbeiten wie “Tubes” (2023) oder “Lüftung” (2022) in luzider Präsenz artikulieren. Eine diffuse Räumlichkeit und schemenhafte Akzente, die Farbe teils wolkig oder trocken pointiert im Auftrag. Trotz ihrer materialen Zartheit strahlen die Bilder eine fesselnde Lebendigkeit aus, sie springen geradezu ins Auge und pulsieren durchs Gesichtsfeld. Um bei der Assoziation zu den Wurstdelikatessen zu bleiben – es ist eine frisch aufgeschnittene visuelle Realität, saftig und (geschmacks) intensiv, unmittelbar zugänglich und sinnlich verfügbar.

Darfs ein bisschen mehr sein?

Selbstverständlich, denn hinzu gesellen sich in der Ausstellung weitere Aquarelle auf Papier, die das Augenmerk auf inhaltliche Aspekte lenken. Auch hier variieren die Dimensionen, oft bleibt das jeweilige Bildgeschehen obskur. So dekliniert Thomas Müllenbach in “Iter 1 – 6” (2024), einem Block von sechs Hochformaten, quasi dieselbe Ansicht des experimentellen Kernfusionsreaktors in unterschiedlichen Stadien der Lesbarkeit durch. Insbesondere unterschiedlich akzentuierten Referenzsignaturen und Intensitäten im Farbauftrag betonen das Momenthafte im Bild, erschweren aber zugleich das Verständnis des Gezeigten, das sich auch mit dem im Titel indizierten Kontext nicht unmittelbar erschliesst. Anhand von “Indoor” (2024) und anderen Einzelblättern wird zudem erkennbar, wie Müllenbach sein Interesse am “Unvertrauten im Bekannten” (TM 2015) verfolgt: mittels angeschnittener Motive oder ungewohnter Perspektiven, woraus wiederum ein fragmentiertes (Bild-)Wissen resultiert. Die pralle Farbigkeit bzw. die Differenz von markantem und zartem Auftrag in einem Bild führt bei der Entschlüsselung zusätzlich aufs Glatteis. Es bleibt immer eine Spur von Unheimlichem, ein Hauch von Zweifel an der eigenen Auffassungsfähigkeit. Das erstreckt sich auch auf die figurativen Arbeiten, die in der Ausstellung durch “Woke 1 – 4” (2024) vertreten sind. Der Versuch einer Identifikation führt ins Leere, denn hier sind keine Personen porträtiert, sondern Emotionen und Attitüden. Insofern bietet uns Thomas Müllenbach in dieser Werkgruppe Schablonen an, in die wir unsere eigenen Gefühle und Projektionen giessen können, sodass sie etwas Halt und Fassbarkeit gewinnen.

Irene Müller, Dezember 2024

Öffnungszeiten Do/Fr 14 – 18 Uhr, Sa 14 – 16 Uhr
Montag – Mittwoch nach telefonischer Verabredung

Ausstellungsdauer 17.01. – 08.02.2025

www.samscherrer.ch

Location:
sam scherrer contemporary
Kleinstrasse 16
8008 Zürich
Switzerland

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