Exhibition
in Solothurn / Switzerland
Ingeborg Lüscher (*1936) gehört mit ihrem multimedialen Schaffen, das Skulptur und Installation, Malerei, Fotografie und Videokunst umfasst, zu den bekanntesten Künstlerinnen der Gegenwart. Dank ihren Präsentationen an der documenta in Kassel (1972 und 1992) und an der Biennale von Venedig (1999 und 2001) sowie mit zahlreichen Museumsausstellungen konnte ihr Werk einem grossen internationalen Publikum vermittelt werden. Die letzten institutionellen Einzelausstellungen fanden im Kunstmuseum Luzern (2010), im Museum Wiesbaden (2006) und im MART Rovereto (2004) statt. 2011 erhielt Ingeborg Lüscher den Meret-Oppenheim-Preis des Schweizerischen Bundesamtes für Kultur.
Das Kunstmuseum Solothurn, das Ingeborg Lüscher bereits 1982 und 1996 Einzelausstellungen widmete, hat in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin eine grosse, über alle sieben Säle des Parterres angelegte Retrospektive vorbereitet. Diese fällt – per Zufall – auf das Jahr ihres 80. Geburtstags. Eigentlicher Anlass aber waren ihre neuen, sehr eindringlichen Fotoserien und Video-Installationen, die sich als berührendes und mutiges Alterswerk stimmig an die Hauptwerke früherer Schaffensperioden anschliessen.
Der von der Künstlerin gewählte Titel “Das Licht – und die Dunkelheit knapp unter den Füssen” ist Programm. Die angesprochene Dialektik von Hell und Dunkel wird zum Leitmotiv der Ausstellung, ja eigentlich ist sie seit jeher Grundthema von Ingeborg Lüschers existenziell fundiertem Denken und Schaffen. Bezeichnend ist hierfür die Wiederkehr von Schwarz und Gelb: Das leuchtende Schwefelpulver zum einen, das aus Acrylfarbe und Asche gemischte tiefe Schwarz zum andern treten miteinander in ihren grossen Skulpturen (1990/91) und in ihrer Gemälde-Serie “Schwefelbänder” (1991-1993) auf. Sie gehören ebenso zu den Exponaten der Ausstellung wie die “Schwefelschachteln” (1993-1995), in denen die Dunkelheit als Schattenwurf auftritt.
Die Ausstellung setzt mit Ingeborg Lüschers bekanntestem Frühwerk ein, ihrer fotografischen “Dokumentation über A.S.” (1970-1972). Darin wendet sie sich dem Kosmos des Einsiedlers Armand Schulthess zu, der sich in den dichten Kastanienwäldern eines Tessiner Tals verborgen hielt. Damit ist der Anfang eines weiten Zeitbogens von fast 50 Jahren gesetzt, der im zweitletzten Saal mit der Präsentation der neuesten schwarz-weissen Fotoserie endet: Unter dem Titel “Die unbezähmbaren Linien und das weite Feld” (2013-2015) sind Fotos ihrer eigenen, vom Alter gezeichneten Haut zu sehen. Als End- und Höhepunkt ist im letzten Saal das erstmals in einem Schweizer Museum präsentierte “Bernsteinzimmer” (2003) zu sehen: eine leuchtende Kammer aus 9000 bernsteinfarbenen Seifen der Marke SOLE, die von verborgenen Lichtquellen wundersam durchleuchtet werden. Die Ausmasse von 4 x 4 Metern Seitenlänge beziehen sich auf die ursprüngliche Dimension des legendären Bernsteinzimmers. Zu diesem strahlenden Hauptwerk kann die in einem der vorangehenden Säle gezeigte Video-Installation “Die andere Seite” (2011) als Gegenpol auftreten. Die erschütternde Arbeit, die den Opfern und Hinterbliebenen des israelisch-palästinensischen Konflikts gewidmet ist, gibt der Ausstellung gleichsam ihre Tiefe und Mitte. Im strengen Vis-à-Vis begegnen wir Müttern und Vätern, Brüdern und Schwestern von Getöteten. Der Künstlerin ist es gelungen, die Trauernden vor die Kamera zu bringen, damit sie wortlos ihren Schmerz offenbaren. Die erschütternd stummen Bilder sprechen Bände über die Notwendigkeit einer gegenseitigen Befriedung, zu der Ingeborg Lüscher mit dem bewussten Verzicht auf jegliche Parteinahme, doch mit spürbarer Anteilnahme beizutragen versucht.
Begleitet wird die Ausstellung von einem reich bebilderten Katalog (232 Seiten, D/E, Verlag für moderne Kunst) mit Aufsätzen von Patricia Bieder, Hans-Joachim Müller, Michele Robecchi und Christoph Vögele sowie mit Texten der Künstlerin.
Christoph Vögele
Öffnungszeiten Di-Fr 11 – 17 Uhr, Sa/So 10 – 17 Uhr, Montag geschlossen
Location:
Kunstmuseum Solothurn
Werkhofstrasse 30
4500 Solothurn
Switzerland