Julia Steiner & Heiko Blankenstein – Landschaften

Die “Partitur der Natur” von Julia Steiner (*1982 in Büren zum Hof / BE, lebt und arbeitet in Basel) schlägt eine Brücke vom Garten in den Ausstellungsraum. Die Rabatte entlang der Mauer neben dem Zimmermannhaus lässt sie schon im Frühling neu bepflanzen. Zudem wird die mittlere der drei Parkbänke umgedreht, sodass sich der Blick von der Strasse weg auf die Grünfläche richtet. Das Wachsen und Blühen im Aussenraum wird zur Grundlage der Rauminstallation: Mit Schnüren, welche die Rasterstruktur der Bodenplatten aufnehmen, wird die Künstlerin Pflanzen in eine Raumzeichnung mitnehmen – in ein dreidimensionales Herbarium, eine Sammlung filigraner Silhouetten, ein gewachsenes Zeichensystem.

Immer wieder stellen Julia Steiners künstlerische Interventionen die Wahrnehmung gebauter Räume auf die Probe. Gestische Zeichnungen auf weissem Grund unterlaufen jedes zentralperspektivische Koordinatensystem und befragen die Festigkeit auch von Wänden, Decken oder Treppenhäusern. Ohne Vorzeichnung trägt die Künstlerin mit einem Borstenpinsel schwarze Acryl- oder Gouachefarbe in unterschiedlichen Graustufen auf die jeweilige Raumgrenze. Mit choreografischem Elan kreieren ihre Zeichnungen ausschwärmende Bewegung, erzeugen den Anschein von Feuer und Rauch, von windgepeitschtem Gras oder einem anhaltenden Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel. Rhythmus, Dichte und Dynamik spielen eine wichtige Rolle in Steiners Wandarbeiten wie in der neuen Installation. Hier schliesst die Künstlerin an ihre Arbeit mit Fundgegenständen an; die Auslegeordnung lädt zum Vergleichen ein, lenkt den Fokus auf Fragmente der gewachsenen Natur, ihrer Fragilität und Vergänglichkeit.

Heiko Blankenstein (*1970 in Deutschland, lebt und arbeitet in Zürich) arbeitet in den Bereichen Skulptur und Zeichnung. Seine Ausstellungen sind darauf angelegt, die klare Trennung zwischen Zwei- und Dreidimensionalität zugunsten von Bildräumen, die der Künstler in den konkreten architektonischen Raum weiterdenkt, aufzuheben. Display und Skulptur in einem, prägt das artifizielle Dispositiv im Zimmermannhaus unsere Betrachtung dessen, was wir als “Natur” zu erkennen gewohnt sind.

Blankenstein ist ein Zeichner im Sog existierender Bilder und Weltentwürfe. Bewusst schreibt er auch sein ortspezifisch entwickeltes Werk “Turnover” immer wieder in bestehende Ikonografien ein. In der handschriftlichen Anverwandlung historischer Landschaftsvisionen steckt die Hommage an Altmeister der Malerei und Druckgrafik, in der technoid anmutenden Sockelung analoger Bilder auch ein Reflex auf die Popkultur. Astronomisches und kosmologisches Wissen liegen seinem Schaffen zugrunde und werfen in einer wissenschaftlich anmutenden Ästhetik Fragen auf nach Raum und Zeit: Gibt es, wenn deren Dimensionen laufend neu vermessen werden, überhaupt eine glaubwürdige Schilderung von Welt? Welche Rolle spielen überlieferte Darstellungsweisen für unsere Begrifflichkeit von Natur? Wie prägt heutige und künftige Technologie unser Verständnis organischen Lebens? Blankensteins komplett analoge Arbeitsweise – seine ebenso romantisierenden wie abstrahierenden Landschaften sind mit Kohle auf Papier geschaffen – geht immer wieder von der Zeichnung aus und entwirft Modelle, die sowohl Utopie als auch Dystopie vereinen.

Das Zimmermannhaus Brugg wird 2023 freundlich unterstützt von: Stadt Brugg, Aargauer Kuratorium

Öffnungszeiten Mi-Fr 14.30 – 18 Uhr, Sa/So 11 – 16 Uhr

Ausstellungsdauer 19.08. – 15.10.2023

www.zimmermannhaus.ch

Location:
Zimmermannhaus Brugg / Kunst & Musik
Vorstadt 19
5200 Brugg
Switzerland